Ein Gast-Blogbeitrag von Daniëlle Hellebrand 

Nach und nach dämmert es uns, dass so einiges, was wir über Management und Führung gelernt haben, schlichtweg falsch ist. Vielen von uns wurde im Laufe ihres Geschäftslebens beigebracht, dass die Hauptaufgabe eines Managers darin bestünde, Teammitglieder zu kontrollieren, Arbeiten zu delegieren, zu evaluieren und mittels „Zuckerbrot und Peitsche“ zu motivieren. Ich habe mich schon immer gefragt, warum es in Führungstrainings oft darum ging, Mitarbeitern etwas zu erklären und beauftragen, anstatt sie zu fragen, was diese selbst denken. Nach etwas zu fragen – anstatt Menschen zu dirigieren – erzeugt einen psychologischen  Ansatz der Ausgewogenheit.

In den letzten Jahrzehnten war es sehr populär, sich auf das wissenschaftliche Denken zu fokussieren und die Rolle der Emotionen zu vernachlässigen. Dies stellt sich mehr und mehr als strategischer Fehler heraus. Emotionen sind ein wichtiges und nützliches Element der Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn. Deswegen ist ein Verständnis von menschlichem Verhalten sowie der Neurowissenschaften erforderlich.

Im Wesentlichen ist es mein Ziel, diese komplexen Informationen praktisch und möglichst leicht verständlich zu machen. Es geht darum, Menschen ohne neurowissenschaftlichen Hintergrund in die Lage zu versetzen, einige der neuesten Entdeckungen zu verstehen und diese Erkenntnisse in ihrem Privat- und Arbeitsleben einzusetzen.

Wir sind auf Vernetzung ausgerichtet

Wir Menschen sind soziale Wesen, die bei der Arbeit in Gruppen aufblühen. Im Laufe der Geschichte haben wir unsere Überlebenschancen durch den Austausch von Ressourcen, Wissen und Arbeitsteilung weiterentwickelt. Eine Abwendung von der Gruppe verringerte unsere Überlebenschancen. Infolgedessen nimmt unser Gehirn unseren sozialen Status fortlaufend sehr bewusst wahr: Gibt es eine Bedrohung oder eine Belohnung? Fühle ich mich sicher? Heutzutage stellt der Arbeitsplatz das größte soziale Umfeld dar, das unser Gehirn erfährt.

Unsere Gehirne agieren also nicht isoliert voneinander. Alles baut kontinuierlich aufeinander auf. Wir sind unglaublich soziale Wesen, wie eine Studie von Dr. Daniel Siegel in dessen Buch ‚Interpersonelle Neurobiologie‘ zeigt. Unser Gehirn ist nicht nur mit jeder einzelnen Zelle unseres Körpers verbunden. Mittels unserer Sinne besteht eine überraschende, direkte und unbewusste Verbindung mit den Gehirnen von anderen Personen. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, wir lesen andauernd die Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen anderer. Unser Gehirn gibt uns fortlaufend Feedback bezüglich unserer sozialen Interaktionen mit anderen und unserer Umwelt. Die Grenzen zwischen internen und externen Welten sind fließend. Ein Arbeitsplatz ist ein Energiefeld. Gute und schlechte Energien – Gefühle wie Vertrauen und Angst – bewegen sich wellenförmig um uns herum. Wenn wir aufmerksam sind, können wir diese fühlen.

Es geht um die Führung

Darum ist die Art der Führung wichtig. Hirnforschung in die Vorstandsetagen zu bringen, ist der Schlüssel zu langfristigem Erfolg, so Dr. Evian Gordon. Unser Gehirn kontrolliert alles, was wir tun. Führungskräfte bestimmen die Unternehmenskultur und sind dafür verantwortlich, die Arbeitsumgebung der Menschen im Blick zu haben. Denn Menschen werden entsprechend ihrem Umfeld agieren. Es geht also darum, einen Ort zu schaffen, in dem die Menschen arbeiten möchten. Jedes Unternehmen wird von Menschen angetrieben. Nichts außer menschlicher Kreativität und Leidenschaft kann Ihr Unternehmen wachsen und gedeihen lassen. Der echte Wert eines Unternehmens sind motivierte Mitarbeiter und zufriedene Kunden. Kunden kaufen in Wirklichkeit die Interaktion, die Art, wie sie behandelt werden und das Gefühl.

Vertrauen

Es gibt eine universelle verborgene Sprache: Sie heißt ‚Vertrauen‘. Wenn wir misstrauen, aktivieren wir unser ‚Angst-Netzwerk‘. Angst verschließt alle Türen zu den Gehirnregionen, die wir benötigen, um zu denken und um Empathie empfinden zu können. Wenn wir uns sicher fühlen, öffnet sich unser Gehirn. Erst dann sind wir in der Lage, zuzuhören, uns zu verknüpfen und für Gespräche offen zu sein, die zu beiderseitigem Erfolg führen. Wohlwollen erzeugt ein Kraftfeld.

Das Vertrauensniveau innerhalb eines Teams ist ein weitaus besserer Indikator und Prädiktor von Ergebnissen, als die einzelnen Leistungskennzahlen von Teammitgliedern. Diese Kennzahlen sind nur numerische Darstellungen der guten oder schlechten Energien, die uns umgeben (Amy Edmondson, Harvard Business School). Es ist also entscheidend, vertrauensvolle Arbeitsumgebungen zu schaffen, in denen man Misserfolge und Fehler teilen kann. Wir können nur innovativ und erfolgreich sein, wenn wir aus Misserfolgen und Hindernissen lernen können.

Sinn und Zweck

Arbeit spielt eine enorme Rolle bei der Bestimmung des Selbstwertgefühls von Menschen. Menschen möchten arbeiten und sich geschätzt fühlen. Menschen möchten mit anderen mitfühlenden Menschen arbeiten und sich darüber freuen können, was sie erreicht haben. Wenn man in der Arbeit zufrieden mit sich selbst ist, geht man nach Hause und behandelt auch seine Familie, Freunde und Mitmenschen besser. Menschen werden dadurch motiviert, in einen „Sinn und Zweck“ zu vertrauen und dieser Sinn und Zweck erzeugt einen Sog der Motivation.

„Stammeszugehörigkeit“

Wählen Sie Ihren ‚Stammesverband‘ sorgfältig! Das sind im Durchschnitt jene fünf Personen, mit denen Sie die meiste Zeit verbringen. Wir wissen, dass unser Umfeld wichtig ist, aber handeln nicht immer so.  In einem Stammesverband müssen Sie sich einbringen, Sie müssen gesund bleiben,  und Sie müssen den anderen Stammesmitgliedern bei deren Weiterentwicklung helfen. Wir haben das zwischenmenschliche neurobiologische Bedürfnis, miteinander zu leben, zu spielen und zu arbeiten. Wir wollen, dass andere uns mögen und haben das Bedürfnis, dazu zu gehören.

Das Leben verspricht uns keine Stabilität. Es bietet uns ein Labor, in dem wir experimentieren können. Und das sollten wir auch tun. Denn was ist der Sinn des Lebens, wenn Sie niemals das tun können, wofür Sie auf diese Erde gekommen sind? Wir alle sind Menschen mit begrenzter Lebensdauer. Unsere Stärke resultiert nicht aus einer Fokussierung auf uns selbst. Sondern aus konsequentem Handeln in einer Weise, die das Leben von anderen verbessert. Wir haben eine tief verwurzelte kulturelle Prägung, dass Freundlichkeit gleichzeitig Schwäche bedeutet. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Liebe

Warren Buffet wurde einmal gefragt, was seine Definition von Erfolg sei. Er sagte: ‚Zählen Sie, von wie vielen Menschen Sie geliebt werden. Und um geliebt zu werden, müssen Sie liebenswert sein. Sie sollten sich mit guten Menschen umgeben.‘

Ein sozialeres Verhalten ist der Schlüssel zu einem glücklicheren, gesunden, produktiven und inspirierenden Leben. Ich liebe die Arbeiten von Matthew Lieberman zu diesem Thema. Soziale Bindung ist einer der besten Prädiktoren für Glück im Leben. Es ist wichtig, bei der Navigation auf Ihrer eigenen sozialen Autobahn klüger zu werden. Manchmal vergesse ich das selbst und muss mich an die Bedeutung meiner begrenzten Zeit auf dieser Welt erinnern.

Sehen Sie Ihr inneres Auge als eine Taschenlampe. Die Taschenlampe kann nach etwas Positivem oder Negativem suchen. Wir alle können die Taschenlampe kontrollieren und das Positive in dieser Welt suchen. Ich bin froh, Menschen zu treffen, die sich ebenfalls einer tieferen Sinnhaftigkeit bewusst sind. Die nach Unternehmen und Arbeitsstellen suchen, die dem ‚Leben‘ dienen. Wir müssen die Art, wie Werte erzeugt und geteilt werden, neu erfinden, umgestalten und neu definieren. In unseren Herzen und Seelen wissen wir, dass unsere Arbeit sinnvoll sein kann und einen Wert für uns selbst, für einander und für die Welt schafft.

Wer teilt, nimmt Anteil

Nichts in der Natur lebt für sich selbst. Flüsse trinken nicht ihr eigenes Wasser. Bäume essen nicht ihre eigenen Früchte. Die Sonne scheint nicht für sich selbst. Ein Leben füreinander mit einem Zweck ist, was die Natur uns vorgibt.

Als eine Art Botschafter von BetterBrains@Work möchte ich meine Kenntnisse darüber teilen, die Wissenschaft über das soziale Gehirn verständlich zu machen, um die Art und Weise unseres Arbeitens zu verbessern. Um die Weise, wie Organisationen ihre Mitarbeiter führen, zu verbessern. Sinn und Zweck ist der Leim, der eine Organisation zusammenhält. Ich folge damit meiner eigenen ‚evolutionären Bestimmung‘ und merke, wie dies anderen hilft, etwas Nützliches zu tun. Denn etwas zu bewirken ist für jeden von uns wichtig.

Wenn die Zeit für bestimmte Dinge reif ist, erscheinen diese Dinge an verschiedenen Orten. Es gibt Bewusstsein und Bewusstheit auf der Erde. Immer mehr Unternehmen denken über ihren ROS nach, ihren Return on Society (Rückgabe an die Gesellschaft).

Das Wissen um das soziale Gehirn kann uns ein besseres und umfassenderes Verständnis von uns selbst, von der Welt und von unseren Beziehungen geben, so Dr. Louis Cozolino. Und mit diesem Verständnis entsteht Weisheit, Vertrauen und die Fähigkeit, einen Unterschied zu machen. Das Leben ist kein Probelauf, es ist eine Praxis. Und es ist ein Vergnügen, gemeinsam mit inspirierenden und intelligenten Menschen wie The Corporate Rebels, mit den wunderbaren Menschen von MenschBank und vor allem mit meinen lieben Kollegen von ECO-International an einer sinnvolleren und zweckbestimmteren Zukunft zu arbeiten. Wir denken darüber nach, welchen Fußabdruck wir hinterlassen möchten. Wir schulden es künftigen Generationen, aber wir sind es uns auch selbst schuldig.


Nach meinem Abschluss im Jahr 1992 in Maastricht an der Maastricht School of Management, arbeitete ich etwa 20 Jahre lang in der Privatwirtschaft im Bereich Human Ressources. Im Jahr 2011 veränderte ich meinen beruflichen Schwerpunkt und tauchte ein in die Welt der Psychologie, Neurobiologie und der kognitiven Neurowissenschaften.

Meine langjährige, vielseitige Managementerfahrung, meine Unabhängigkeit und Lebenserfahrung sowie mein Kontakt zu vielen Menschen innerhalb und außerhalb von Organisationen bietet die Grundlage für meine Arbeit als Coach und Keynote-Sprecher bei BetterBrains@Work. Ich bin sehr daran interessiert, neurowissenschaftliche Entdeckungen auf Coaching und Führung im Allgemeinen anzuwenden. Ich ermutige Menschen, die Dinge, die über das Gehirn bekannt sind, praktisch zu nutzen, um mehr inspirierende Arbeitsplätze ‚mit Hirn‘ zu schaffen.

Daniëlle Hellebrand

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  1. ich finde es sehr wichtig, dass bei dem echten Wert eines Unternehmens die Mitarbeiter als erstes genannt werden. Zufriedene Mitarbeiter = zufriedene Kunden = zufriedenes Unternehmen. Das Unternehmen an sich ist eine Hülle, welche sich in Zahlen darlegt. (Bilanzen, Quartalszahlen usw, Mitarbeiter und Kundenzufriedenheit). Das Unternehmen wird durch die Mitarbeiter am Leben gehalten, lebendig gemacht, erhält seine ganz eigene Kultur. Die Kunden, die ein Unternehmen betreten, begegnen den Mitarbeitern und keinen Bilanzen. Deswegen ist so wichtig, dass die Verantwortlichen in ihr Handeln und ihre Entscheidungen die Zufriedenheit der Mitarbeiter als Top Entscheidlungsleitlinie nehmen.

    ganz wundvoller Artikel! Und bestärkt mich in meinem eigenen Handeln, Tun und Lassen

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