Friedrich Schillers Gedicht ‚An die Freude‘ kennt jeder von uns, vor allem in der von Ludwig van Beethoven vertonten Version seiner 9. Sinfonie. Viele können es mitsingen – das Lied ist seit 1972 Hymne des Europarates, diente einige Jahre als inoffizielle Hymne der Bundesrepublik, hat allerdings auch zahlreiche Diskussionen z.B. ob der Rolle der Frau ausgelöst, da von ‚Brüderlichkeit‘ die Rede ist und nicht von ‚Geschwisterlichkeit‘.

Obwohl seit 2009 in Dresden lebend, war bis vor kurzem für mich unbekannt, dass dieses Gedicht hier in Sachsen entstanden ist. Sogar in dem Viertel, in dem ich lebe, in Dresden-Loschwitz, wurde es vollendet. In Leipzig fand es seinen Anfang. So klein ist die Welt.

Was auch neu für mich war und mich echt so sehr inspiriert, dass ich darüber schreibe, ist die ursprüngliche Version dieses Gedichtes, die ich weiter unten abdrucke.

Warum hat man es gekürzt?! Der Text ist sooo sensationell. Allerdings auch sehr revolutionär, damals schon – mit Sicherheit. Noch vielmehr heute…

Wie viele Kriege werden geführt, im Kleinen wie im Großen mit der Rechtfertigung, jemand habe ‚Schuld‘ an etwas. Wie viele Menschen werden ausgegrenzt, weil sie nicht den (wirtschaftlichen) Status von anderen haben. Nicht nur in Banken – doch auch dort.

‚Unser Schuldbuch sei vernichtet – ausgesöhnt die ganze Welt!‘ ist eine Textzeile in der ursprünglichen Version. Ich bekomme Gänsehaut und atme einen Moment tiefer. ‚Unser Schuldbuch sei vernichtet – ausgesöhnt die ganze Welt!‘ … ähm, wow!!!

Wenn diese Hymne die Hymne Europas ist, wie verhält es sich mit unserem Verständnis von Schuld und Schulden innerhalb Europas…. Ja, eine provokante Frage, ich weiß. Eine Frage, die ich den mit stolz geschwellter Brust die Europahymne singenden Verantwortlichen in Politik und (Banken)Wirtschaft gerne einmal stellen möchte. Gerade jetzt, wo Europa vielleicht nicht bricht, doch auf jeden Fall bröckelt ….

Ich nehme Schillers Worte nicht als Gesetz. Es ist ein Gedicht, vor 230 Jahren geschrieben. Nicht mehr, doch auch nicht weniger. Es hat Aussage-Kraft und ein unglaubliches Potenzial zu inspirieren. Auch heute – oder gerade heute; das trifft es wohl noch besser. Schillers Worte können uns inspirieren, uns ermutigen …. aus der Angst in die Freude zu gehen. Aus dem Mangel den Blick auf die Fülle zu lenken, die in der Natur so reich gegeben ist. Sie können uns inspirieren, bessere Menschen zu werden. Und einen neuen Umgang mit Geld zu erfahren. Freude im Teilen, Sanftmut und Versöhnung mit Miteinander. Das vor allem, glaube ich.

Seit ich von diesem Text erfahren habe, seit ich mich auf Spurensuche nach Hintergründen mache, keimt in mir der Wunsch, diesen Text sicht- und hörbar zu machen. Ein großer Chor – von verschiedenen Einzelinterpreten über (Kinder)Chöre bis hin zu Menschen wie Du und ich – die gemeinsam den ursprünglichen Text von Schiller singen. Musiker, die gemeinsam musizieren. An Orten der Freude und Versöhnung, wie beispielsweise der Dresdner Frauenkirche, am Schillerhäuschen, diesem so magisch-besonderen Ort, an dem das Foto für diesen Beitrag entstanden ist oder an den Elbhängen mit Blick auf die langsam dahinfließende Elbe, die Schiller wohl auch in besonderem Maß inspirierten.

Es gibt zahlreiche sogenannte Flashmobs, die die Ode an die Freude als Thema wählten. Auch zwei Banken (soweit mir bekannt) sind unter den Initiatoren  – eine spanische Bank, die Banco Sabadell und eine Nürnberger Bank, die EvenordBank mit wirklich sehr inspirierenden Videos.

Es wird eine weitere Version geben – eine, in der die ursprünglichen Worte Friedrich Schillers gesungen werden. Den Impuls dazu geben wir von MenschBank. Ich kann nicht anders, als diesem so klaren Ruf zu folgen. Mögen seine Worte Gehör finden und unsere Herzen berühren, Inspiration sein für neue, innovative, vor allem menschliche Lösungsansätze sowohl in der Finanzwelt, als auch im gesellschaftlichen Miteinander.

Wer unterstützen mag, melde sich per Email info@menschbank.de . Es geht gemeinsam, im Teilen unserer Ressourcen so viel leichter – und mit so viel mehr Freude. Der ursprüngliche Text will gehört werden – helft mit, diese Gedanken auf Spaziergang zu schicken.

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert geteilt; (ab 1803: was die Mode streng geteilt)
Bettler werden Fürstenbrüder, (ab 1803: alle Menschen werden Brüder)
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Chor
Seit umschlungen Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!

Chor
Was den großen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte tronet.

Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod,
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.

Chor
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahndest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt,
Über Sternen muß er wohnen.

Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt.

Chor
Froh, wie seine Sonnen fliegen,
Durch des Himmels prächt’gen Plan,
Laufet Brüder eure Bahn,
Freudig, wie ein Held zum siegen.

Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
Sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
Sie im Chor der Engel stehn.

Chor
Duldet mutig Millionen!
Duldet für die bessre Welt!
Droben überm Sternenzelt
Wird ein großer Gott belohnen.

Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ist’s ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verziehn.
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.

Chor
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
Richtet Gott, wie wir gerichtet.

Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmuth – –
Brüder fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist,
Laßt den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist!

Chor
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist
Überm Sternenzelt dort oben!

Festen Mut in schwerem Leiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen –
Brüder, gält es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut.

Chor
Schließt den heil’gen Zirkel dichter,
Schwört bei diesem goldnen Wein;
Dem Gelübde treu zu sein,
Schwört es bei dem Sternenrichter!

Rettung von Tyrannenketten,
Großmut auch dem Bösewicht,
Hoffnung auf den Sterbebetten,
Gnade auf dem Hochgericht!
Auch die toten sollen leben!
Brüder trinkt und stimmet ein,
Allen Sündern soll vergeben
Und die Hölle nicht mehr sein.

Chor
Eine heitre Abschiedsstunde!
Süßen Schlaf im Leichentuch!
Brüder – einen sanften Spruch
Aus des Totenrichters Munde!

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5 Responses

  1. […] schreibe diesen Beitrag heute, weil ich auf der Webseite von MenschBank einen Beitrag zum Gedicht ‚An die Freude‘ von Friedrich Schiller veröffentlichen werde – und dieses Gedicht hat häufig schon Anlass zur Diskussion gegeben. Frauen fühlen sich […]

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